Wenn die Sinne auf der Strecke bleiben …

Der Westerwald – schon viel darüber gehört aber noch nie dort gewesen. Bis jetzt. Denn nun bin ich zum ersten Mal in diese rheinland-pfälzische Region gereist, um an einem Blogger-Wandermarathon auf dem Westerwald-Steig teilzunehmen. Wir sind insgesamt 19 Reise- und Wanderblogger, die aus ganz Deutschland für diesen Event angereist sind. Manche kenne ich schon persönlich, manche noch nicht. Es ist immer schön, die Menschen hinter den Blognamen kennenzulernen. Dazu ist der erste Tag gedacht: gemeinsam wandern, zusammen essen, sich austauschen und kennenlernen, bevor es am nächsten Tag auf die 45 Kilometer lange Strecke geht.

Das Wetter am nächsten Morgen ist nicht berauschend. Es regnet seit gefühlten Monaten und der Sommer findet bisher nur kalendarisch statt. Und ehrlich gesagt bin ich es langsam leid, immer nur im Matsch zu wandern. Passend zum Start unseres Marathons am Dappricher Hof fängt es stärker an zu regnen. Nicht schon wieder. Regenbilder habe ich nun wirklich schon genug. Naja, es hilft nix, wir müssen los, damit wir die Strecke in der geplanten Zeit schaffen können.

In der Holzbachschlucht

Kaum sind wir unterwegs und an der Holzbachschlucht angekommen ist das Wetter für mich Nebensache. Laut meinem Wanderführer zum Westerwald-Steig ist die Schlucht ein Kilometer lang und bis zu 20 Meter tief. Weiter heißt es: „Heruntergebrochene Basaltblöcke und umgestürzte Bäume geben dem engen Tal einen wildbachartigen Charakter.“ Beeindruckend, die Schlucht und auch der Wald. Ich glaube, ich habe noch nie so hohe Bäume gesehen wie hier. Das frische Waldgrün in Kombination mit leichtem Bodendunst verleiht der ganzen Umgebung Urwaldatmosphäre. Ich bin begeistert und knipse was das Zeug hält. Und wieder einmal stelle ich fest, dass jeder Wald anders ist. Ich muss unbedingt in Erfahrung bringen, was diesen Wald so besonders macht.

Am Katzenstein ist unser erster Verpflegungspunkt. Eine tolle Aussicht hat man von hier oben. Fast vergesse ich etwas zu essen, so vertieft bin ich ins Fotografieren. Der Regen lässt nach. Ohne Kapuze geht es weiter, erst ein Stück durch den Wald, dann durchqueren wir ein idyllisches Wiesental. Mir gefällt diese Mischung aus Wald und Wiese sowieso immer. Und wie das alles riecht nach dem Regen. Ihr müsst unbedingt einmal nach einem Regenwetter in den Wald gehen und diesen Duft einatmen. Unvergesslich. Berauschend. Auch reinigend.

Wandermarathon – Geschwindigkeit ist nicht so meins

Es ist Mittagessenszeit. Keine Ahnung wie viele Kilometer wir schon gelaufen sind. Ich schätze, es sind so etwa 12. Das ist zwar noch nicht viel, aber ich freue mich auf die Pause. Insgesamt ist unser Tempo recht flott. Wir haben einen Schnitt von fast 5 Kilometern in der Stunde. Und genau da liegt mein Problem, speziell bei Marathon-Veranstaltungen. Wegen des Tempos, das man zwangsläufig wandern muss, bleiben meine Sinne oft auf der Strecke. So vieles gibt es zu entdecken, aber ich kann mir dafür keine Zeit nehmen. Wenn ich, wie gewohnt, alleine unterwegs bin, bestimme ich wie schnell ich unterwegs bin und wann ich wo anhalte. Oft ist es mein Bauch, der entscheidet. Ich trainiere das geradezu, mich auf meinen Instinkt zu verlassen. Das geht hier nicht. Distanz und Zeit bestimmen den Weg. Und ich stelle fest: Tempo und Genusswandern finden bei mir keinen gemeinsamen Nenner. Eines davon leidet immer.

Im Hallenwald

Während des Mittagessens kommt die Sonne heraus. Herrlich. Ich freue mich schon auf mein Lieblingsmotiv, Sonnenstrahlen zwischen regennassen Bäumen. Wir wandern durch ein helles Waldstück. Wieder diese hohen Bäume, die viel Licht durchlassen, so dass der Waldboden ein Meer aus Grün ist. Karin von den Gastlandschaften Rheinland-Pfalz wandert eine zeitlang mit mir und klärt mich über die Besonderheit der hiesigen Vegetation auf. „Das, was du hier siehst, ist ein Buchenwald mit sehr alten, dickstämmigen und gerade hochgewachsenen Buchen – ein sogenannter ‚Hallenwald’. Im Sommer bilden die Buchen ein dichtes Kronendach, durch das nur wenig Licht fällt. Man hat das Gefühl, als ob man durch eine Halle läuft.

Diese besondere Artenkombination bzw. Pflanzengemeinschaft ist auf den sauren Boden zurückzuführen. In Bodennähe gedeihen hauptsächlich Farne, angepasste Kräuter und schattenverträgliche Sträucher.“ Mir gefällt das viele Grün der Farne und Sträucher, vor allem wenn die Sonne drauf strahlt.

Wir haben gar nicht gemerkt, dass wir stehengeblieben sind und uns den Wald betrachtet haben. Niemand mehr da. Wo ging es noch mal lang? Wir haben so gar nicht auf die Beschilderung geachtet. Mithilfe der Wander-App orientieren wir uns. Eine kleine Abkürzung und schon sind wir wieder bei der Gruppe.

Stummes Verstehen

Zwischendurch bin ich alleine unterwegs und versuche mein Tempo zu gehen. Joachim gesellt sich zu mir. Gemeinsam laufen wir ein paar Kilometer zusammen. Interessante Gespräche. Gemeinsamkeiten. Unterschiede. Hier ein Foto, dort ein Foto. Oder auch einfach nur Schweigen. Das funktioniert nicht mit jedem. Mit Joachim schon.

Freundinnenplausch

Etwa auf der Höhe von Westerburg wartet eine Überraschung auf mich. Eine liebe Freundin aus meiner Studienzeit hat sich angekündigt und möchte ein Stück mit mir wandern. Durchgeben der Koordinaten. Wenig später kommt sie uns entgegengelaufen. Wiedersehensfreude. Kurzer Plausch und neue Verabredung an der Verpflegungsstation am Dreifelder Weiher, mit der Hoffnung auf mehr Zeit zum Erzählen.

Alles, nur nicht mehr auf Zeit

Etwa zwei Drittel der Strecke liegen hinter uns. Ganz allmählich tun mir die Gelenke weh und ich frage mich wieder nach Sinn und Zweck eines Wandermarathons. Sportlich gesehen ist das schon eine tolle Sache – wenn man ab und zu gerne Grenzerfahrungen macht. Das hat schon was. Mit diesem Thema habe ich mich schon nach der 24h-Wanderung in Bernkastel-Kues auseinandergesetzt. Aber hier im Westerwald, der mir so sehr gefällt, kommt mir die Naturerfahrung einfach zu kurz. Ich fotografiere im Gehen und stolpere dauernd über irgendwelche Wurzeln oder rutsche im Matsch aus. Für mich stelle ich fest: Ein Wandermarathon begrenzt meine Wahrnehmung und ich möchte das so auf diese Weise nicht mehr machen. Bloggerwandern ja, aber nicht mehr so unter Zeitdruck.

Auf der Seenplatte

Wir nähern uns dem größten Gewässer der Westerwälder Seenplatte, dem Dreifelder Weiher. Es ist wundervoll an diesem Weiher. So friedlich. Am liebsten würde ich mich hier am Ufer hinsetzen und auf den See schauen. Ausruhen und genießen. Nix da, weiter geht’s. An der Verpflegungsstation angekommen, empfängt mich meine liebe Studienfreundin. Sie beschließt, mich ein paar Kilometer zu begleiten und so haben wir genügend Zeit uns auszutauschen, bis sie sich wieder ausklinkt. Schön war’s mit dir T., danke.

Magische Grenze

Bei Kilometer 30 liegt meine magische Grenze. Ab dann tut bei mir alles weh: Füße, Hüfte, Kniegelenke und der Rücken sowieso. Und ab dann ist mentale Stärke gefragt. Motivation und Kampfgeist kann ich. Offiziell liegen noch 15 Kilometer vor uns. Inoffiziell sind es noch 18. Also noch gut drei Stunden Wanderzeit. Ab jetzt befinde ich mich ganz hinten. Geschwindigkeit ist nicht meins. Ich möchte mein Tempo gehen und mehr wahrnehmen. Die Natur hilft mir nämlich, sie gibt mir Kraft und sie lenkt mich bisweilen auch ab. Es gibt so viel zu sehen hier: die blühenden Wiesen, der Wind, der über die Felder weht, die Farbe der Sonne, die immer goldener wird, die dramatischen Wolkenformationen. Und dann dieser Duft nach Sommer. Es ist mir völlig egal wann ich am Ziel ankomme, Hauptsache ich kann so viele Eindrücke wie möglich aufnehmen. Wohlfühlen. Genießen. Und dann wieder versuchen den Anschluss zu bekommen.

Schauspiel am Himmel

Die letzten Kilometer. Zu fünft bilden wird den Schluss der Blogger-Wandergruppe. Gemütliches Schlendern. Allmählich verabschiedet sich die Sonne. Hinter den Wolkenbergen leuchtet es. Was für ein tolles Schauspiel. Wie gebannt bleiben wir stehen und schauen zu. Als wir etwa eine halbe Stunde später am Zielort Stöffel-Park ankommen, fängt der Horizont zu leuchten an. Es war einfach unglaublich und unvergesslich. Genauso wie die Wanderung durch den wunderschönen Westerwald. Doch abschließend bin ich mir eines gewiss: Wandermarathon und Geschwindigkeit ist nicht so meins.

Meine Teilnahme am 2. Rheinland-Pfälzischen Blogger-Wandermarathon erfolgte auf Einladung der Gastlandschaften Rheinland-Pfalz.