Schritt für Schritt zu mir selbst
Gestern hatte ich vergessen euch zu berichten, dass es mich auf einer vereisten Straße so dermaßen hingelegt hat, dass ich heute etwas gehandicapt war. Mein rechtes Schienbein hat was abgekriegt. Es ist leicht geschwollen und tut sau weh. Die Info ist wichtig, damit ihr versteht, was das heute für ein verrückter Tag war…
In Stolzenfels startete ich mit Sonnenschein, der leider nicht lange anhielt. Schon auf der Moselbrücke zog sich der Himmel düster zusammen. Aber es blieb trocken, das war die Hauptsache. Für die ersten 5 Kilometer habe ich unendlich lange gebraucht, musste mich ständig setzen und hatte schon Angst, dass ich abbrechen muss. Im Wald ging es dann bergauf, das fühlte sich besser an. Jede flache Passage tat weh, jeder Berg war willkommen. Schritt für Schritt arbeitete ich mich voran. Mitten auf einem Feld musste ich halten. Es ging nicht mehr. Dachte ich. Frau Eppelsheimer gab mir heute morgen einen Tipp: Wenn Sie denken, es geht nicht mehr, schreien Sie so laut sie können, dann wird’s besser. Nun ja, das hab ich gemacht. Und wie! Und… es stimmt. Es ging zwar langsam voran, doch es war besser. Und so konnte ich auch den großartigen Blick auf Burg Eltz genießen.
Überhaupt ist der Weg bisher sehr interessant und spannend, es gibt tolle Passagen mit Ausblick auf die Mosel. Im Winter hat man eine unglaublich freie und weite Sicht. Ich kann es nur jedem empfehlen auch mal im Winter wandern zu gehen.
Bei Einbruch der Dunkelheit kam ich etwa 2 km vor dem Etappenziel an einem Wegweiser im Wald vorbei: „Herberge 5 min“. Och, das wär doch schön, dachte ich mir, mitten im Wald übernachten. Man bot mir den Pilgerplatz an… im Stroh. Hm, vor Weihnachten macht Krippe spielen vielleicht noch Spaß, aber jetzt? Also weiter.
Auf dem Kompeskopf blickte ich auf die Lichter der umliegenden Ortschaften. Traumhaft. Wer war schon mal bei Dunkelheit dort oben? Und ist dann wie ne Bergziege den Buchsbaumwanderpfad runter?
Auf diesem Pfad habe ich wieder mein Gleichgewicht gefunden. Federnd bin ich abgestiegen, konnte kaum noch was sehen. Irgendwas (oder irgendjemand?) hat mich gelenkt. Ich bin gelaufen… gegen mich selbst und für mich selbst, gegen Hass und für die Liebe, gegen Krieg und für den Frieden, gegen Lüge und für die Ehrlichkeit, gegen Armut, gegen das Älterwerden und für das Älterwerden, gegen den Schmerz und die Einsamkeit. Es ging mir plötzlich gut. Alles ist möglich. Verrückte Geschichte oder?
Streckenverlauf der 2. Etappe mit Höhenprofil, GPS-Track und weiteren Infos:
Wegpunkte: Moselbrücke – Löf – Hatzenport – ‚Küppchen‘ (Startplatz für Drachenflieger) – Antoniuskapelle – Elzbachtal – Burg Eltz – Forsthaus Rotherhof – Buchsbaumwanderpfad – Aussichtspunkt Kompes Köpfchen –Stiftskirche St. Kastor in Karden
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